11. Dezember 2025

Business ohne KI? Keine Zukunft | Im Gespräch mit Prof. Dr. Sebastian Vollmer #570

Künstliche Intelligenz verändert gerade fundamental, wie wir arbeiten, lernen und Geschäfte machen. Doch während viele über KI sprechen, gibt es nur wenige, die sowohl die wissenschaftliche Tiefe als auch die praktische Anwendung wirklich verstehen.

Prof. Dr. Sebastian Vollmer ist Professor for Applications of Machine Learning und verbindet in seiner Arbeit drei Welten: die akademische Forschung, konkrete Business-Anwendungen und die Vermittlung von KI-Wissen an die breite Öffentlichkeit. Er forscht zu Applied Data Science, Risiko-Vorhersagen und Zeitreihenanalysen, engagiert sich beim DFKI im Innovation and Quality Centre für vertrauenswürdige KI und macht mit Projekten wie dem KI-Adventskalender künstliche Intelligenz auch für junge Menschen erlebbar.

Podcast mit Prof. Dr. Sebastian Vollmer

In unserem Gespräch geht es um einen alternativen Blick auf das Thema KI. Wir besprechen u.a. die Fragestellung, ob Unternehmen ohne KI überhaupt noch eine Zukunft haben? Wie müssten Bildung und Arbeitswelt aussehen, um Menschen wirklich auf diese Transformation vorzubereiten? Und wo sollte der Mittelstand konkret anfangen, wenn er nur einen einzigen KI-Use-Case umsetzen dürfte?

Wir sprechen über Datenqualität, KI-Agenten, die eines Tages vielleicht unseren gesamten Business-Alltag übernehmen, über die Frage der Regulierung und darüber, woran man erkennt, dass eine Organisation wirklich reif für KI ist.

Sebastian bringt dabei nicht nur die wissenschaftliche Perspektive mit, sondern auch den Blick des Praktikers, der weiß, wo die echten Hürden in Unternehmen liegen. Ein Gespräch, das jeder hören sollte, der verstehen will, wohin die Reise geht und wie man sein Unternehmen jetzt richtig aufstellt.

Künstliche Intelligenz im Wandel: Von spezialisierter Technologie zum Alltagstool

In den vergangenen Jahren hat sich Künstliche Intelligenz rasant weiterentwickelt – und zwar in einem Tempo, das selbst erfahrene Forscher überrascht hat. Während KI früher überwiegend in hochspezialisierten Nischenanwendungen eingesetzt wurde, etwa in der Übersetzung oder der Bilderkennung, hat insbesondere die Veröffentlichung von ChatGPT dazu geführt, dass KI im alltäglichen Leben angekommen ist. Für Sebastian war dieser Moment ein Wendepunkt: Erstmals wurde deutlich, wie tief KI-Systeme in unseren Alltag eingreifen können – und wie breit ihre Anwendungsmöglichkeiten sind.

KI in der Lehre: Wie sich Ausbildung und Professorenrolle verändern

Der Wandel lässt sich auch in der Hochschullehre beobachten. Sebastian beschreibt, wie sich seine Vorlesungen jährlich komplett verändern müssen, weil die technologische Entwicklung so schnell voranschreitet. Statt einzelne Programme aufwendig zu entwickeln, lernen Studierende heute, KI als flexiblen Bestandteil von Softwareprojekten zu nutzen.

Wo früher eigene Fehleranalyseprogramme entwickelt wurden, reichen heute ein paar Zeilen Prompting, um Modelle durch strukturierte Aufgaben im Unternehmen einzusetzen. Für Studierende bedeutet das: Sie müssen lernen, KI nicht nur zu benutzen, sondern sinnvoll in bestehende Prozesse zu integrieren.

KI im Business: Warum Unternehmen handeln müssen

Spätestens seit ChatGPT hat sich das Bewusstsein für KI in der Wirtschaft verändert – doch laut Sebastian noch nicht schnell genug. Viele Unternehmen unterschätzen die Dringlichkeit. Für ihn steht fest: Wer KI ignoriert, verliert mittelfristig die Wettbewerbsfähigkeit. Es gilt also in vielen Branchen sich dem Thema intensiver anzunehmen.

Gleichzeitig sieht Sebastian einen elementaren Denkfehler in Unternehmen: KI ist nicht dafür da, alte Prozesse einfach nur effizienter zu machen. Genau wie die ersten Autos nicht nur „Kutschen ohne Pferde“ waren, erfordert KI ein Umdenken – weg vom Bestehenden, hin zu neuen Geschäftsmodellen, datenbasierten Entscheidungen und Automatisierungen.

Datenqualität: Das unterschätzte Fundament jeder KI

Viele Unternehmen wollen KI schnell einführen – merken aber nicht, wie stark ihre wertvollsten Datenquellen vernachlässigt wurden. CRM-Daten sind unvollständig, Marketingdaten verstreut, operative Daten nicht sauber strukturiert.

Und wie wichtig Daten sind, hängt vom Use Case ab. Bei Predictive Maintenance etwa sind präzise maschinelle Daten entscheidend. Im Marketing hingegen kann Know-how der Mitarbeitenden fehlende Daten teilweise kompensieren. Entscheidend ist daher weniger, alle Daten perfekt zu haben – sondern die richtigen Use Cases auszuwählen.

Fatal wird es allerdings, wenn Unternehmen keinen klaren Fokus entwickeln: Listen mit hunderten potenziellen KI-Anwendungen bringen niemanden weiter. Stattdessen braucht es ein Zusammenspiel aus Führungskräften, datenaffinen Mitarbeitenden und externem Know-how, um realistische Startpunkte zu identifizieren.

KI-Agenten: Die nächste Evolutionsstufe?

Ein besonders spannender Bereich sind KI-Agenten, die eigenständig Aufgaben koordinieren, Entscheidungen treffen und miteinander kooperieren können.

Sebastian glaubt fest daran, dass Agentensysteme enorme Auswirkungen auf das Business haben werden. Beispiele sind:

  • Automatisierte Vertragsverhandlungen
  • Eigenständig arbeitende “virtuelle Mitarbeitende”
  • Prozesse, die mehrere Abteilungen gleichzeitig abbilden
  • Automatische Web-Recherchen und Datenaufbereitung

Microsoft hat bereits empfohlen, „virtuelle Mitarbeiter“ einzustellen – ein klarer Hinweis darauf, wie nah wir dieser Realität schon sind. Gleichzeitig stellen Agenten Unternehmen vor neue Herausforderungen: Halluzinationen, Fehlerfortpflanzung, fehlende Datenqualität und die Notwendigkeit eines sauberen Kontrollmechanismus. Es bleibt unabhängig der Empfehungen und Prognosen, abzuwarten, wie schnell sich KI-Agenten etablieren und wie weit sie „gehen“ dürfen.

Zukunft von Websites: Bedeutungsverlust oder Transformation?

Wird es in Zukunft noch klassische Websites geben? Die klare Antwort: Ja – aber ihre Rolle wird sich drastisch verändern.

Websites werden weniger als Informationsplattform für Menschen dienen und mehr als Datenquelle für KI-Agenten, die Inhalte automatisch auswerten, zusammenfassen und verarbeiten.

Sebastian geht im Podcast konkret auf das Thema ein und vergleicht das mit Primär- und Sekundärquellen in der Wissenschaft: Menschen lesen nicht mehr alles selbst, sondern verlassen sich auf Zusammenfassungen. KI wird das Gleiche tun.

Langfristig wird es technische Standards geben, die eine direkte Maschinenkommunikation ermöglichen – unabhängig von klassischen HTML-Webseiten. Ein Beispiel ist das MCP-Protokoll (Model Context Protocol). Der Mensch bleibt ein Gewohnheitstier, weshalb Websites nicht verschwinden werden – aber ihre Relevanz verschiebt sich.

Risiken, Verantwortung und gesellschaftliche Auswirkungen

Trotz aller Begeisterung warnt Sebastian auch vor den Schattenseiten. Bedrohlich sind weniger die Maschinen selbst – sondern das, was Menschen mit ihnen tun können:

  • Deepfakes und Fake Calls
  • Manipulative Inhalte
  • Verzerrte oder absichtlich manipulierte KI-Modelle
  • Fehlendes Unterscheidungsvermögen zwischen Wahrheit und generierten Inhalten

Eine seiner zentralen Botschaften: Technologie ist weder gut noch böse – aber auch nicht neutral. Sie wird durch Menschen geprägt. Deshalb braucht es dringend politische, gesellschaftliche und technologische Maßnahmen, um die Risiken zu kontrollieren, ohne die Innovation abzuwürgen.

Europa im Rückstand – und doch mit Chancen

Ein weiterer kritischer Punkt: Europa droht im KI-Wettbewerb abgehängt zu werden. Auf internationalen Konferenzen wie der NeurIPS waren nahezu keine deutschen Unternehmen vertreten – ein Alarmsignal.

Gleichzeitig gibt es Chancen: Viele Talente wollen nicht in die USA gehen und suchen nach Alternativen. Diese Chance müsse Europa nutzen, fordert Vollmer. Dafür braucht es gezielte Investitionen, mehr Mut und die Bereitschaft, weniger zu diskutieren und mehr auszuprobieren.

Meine 5 Learnings aus dem Podcast mit Sebastian Vollmer

Blicken wir auf meine 5 Learnings, die ich aus dem Podcast mitgenommen habe:

KI ist kein Nice-to-have mehr – sie entscheidet über Wettbewerbsfähigkeit

Unternehmen, die jetzt nicht aktiv in KI investieren, werden langfristig kaum bestehen können. Die technologischen Veränderungen sind so tiefgreifend, dass sie ganze Geschäftsmodelle beeinflussen. Wer KI ignoriert, verliert Effizienz, Geschwindigkeit und Marktanteile – besonders gegenüber internationalen Playern.

Der größte Fehler: KI nur zur Prozessoptimierung nutzen

Viele Betriebe versuchen, bestehende Abläufe lediglich „etwas digitaler“ zu machen. Vollmer weist darauf hin, dass dieser Ansatz zu kurz greift. KI eröffnet komplett neue Möglichkeiten, Geschäftsmodelle zu verändern – genau wie das Auto mehr ist als eine motorisierte Kutsche. Unternehmer sollten sich fragen: Was wäre möglich, wenn wir Prozesse komplett neu denken?

Datenqualität entscheidet – aber nicht überall gleich stark

Nicht jeder Use Case benötigt perfekte Daten. Während Predictive Maintenance hochwertige Sensordaten erfordert, können Marketing- oder Wissensmanagement-Use-Cases schon mit vorhandenen Mitarbeitern und strukturierten Informationen starten. Wichtig ist, realistisch zu prüfen: Welche Daten habe ich, welche brauche ich – und welcher Use Case passt dazu?

KI-Agenten werden zur Realität – und übernehmen ganze Aufgabenbereiche

Unternehmen sollten verstehen, dass KI-Agenten nicht nur Tools sind, sondern bald wie virtuelle Mitarbeiter agieren: Sie analysieren, planen, verhandeln, recherchieren oder bearbeiten Vorgänge eigenständig. Microsoft empfiehlt bereits, „virtuelle Mitarbeiter“ einzustellen. Wer früh Erfahrungen sammelt, schafft sich einen massiven Vorsprung.

Die größte Hürde ist kulturell – nicht technisch

Viele Unternehmen scheitern nicht an der Technologie, sondern am Mindset. Zu viel Angst, zu viel Klein-Klein, zu wenig Mut. Manche unterschätzen KI, andere überschätzen, was mit einem Praktikanten möglich ist. Erfolgreiche Unternehmen kombinieren:

  • Führungskräfte, die visionär denken
  • Mitarbeitende, die mitgenommen werden
  • Externe Expertise, um blinde Flecken zu vermeiden

Ohne kulturellen Wandel wird es keine erfolgreiche KI-Implementierung geben.

Video mit Prof. Dr. Sebastian Vollmer anschauen

Schaut euch das Video am besten vollständig an und erfahrt, wie Sebastian denkt und die Zukunft von KI sieht.

Thomas Ottersbach

Thomas Ottersbach ist geschäftsführender Gesellschafter der PageRangers GmbH. Seit über 20 Jahren ist er im Online-Business aktiv und hat verschiedene Unternehmen erfolgreich aufgebaut und veräußert. Thomas ist zudem Herausgeber/Produzent des beliebten SEO Podcasts (www.seosenf.de). Mit dem Podcast "Digitales Unternehmertum" gibt er nicht nur seine eigenen Erfahrungen als Unternehmer weiter, sondern durch die vielen Interview-Gäste gibt es für die Zuhörer:innen maximale Inspiration und Wissenstransfer rund um das digitale Business. Seit einigen Jahren dreht sich mit dem Thema Künstliche Intelligenz (KI) das digitale Businessrad weiter. Auch hier ist Thomas Experte und hat ein eigenes Unternehmen in diesem Bereich aufgebaut. Du suchst Unterstützung für dein digitales Business und möchtest einen kostenlosen Beratungstermin mit Thomas vereinbaren? Dann suche dir einen Termin direkt online aus.

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