In der heutigen Podcast Episode möchte ich ein Thema aufgreifen, was mich schon sehr langer Zeit beschäftigt und beispielhaft für viele mittelständische Unternehmen zu sehen ist. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der Modekonzern Gerry Weber Insolvenz anmelden musste.
Eine Entwicklung, die irgendwie abzusehen war, denn schon länger ging es dem Unternehmen wirtschaftlich nicht so gut. Auch Gerüchte rund um eine mögliche Insolvenz kursierten im Netz.
Fehler/Learnings am Beispiel von Gerry Weber
Ich möchte Gerry Weber heute exemplarisch für viele Unternehmen nehmen, die sich nicht ausreichend mit den Veränderungen der digitalen Welt auseinandersetzen, die aufgrund ihrer Größe zu starr sind und letztlich in falsche Gewässer geführt wurden. Auch bei vielen mittelständischen Unternehmen sehe ich eine falsche Kursrichtung.
Gerry Weber galt in den 90er Jahren als das Vorzeigeunternehmen. Zur Marke gehören weitere Brands wie Hallhuber, Samoon und Taifun.
In der heutigen Podcast Episode möchte ich ein paar Szenarien aufzeigen, wieso der Digitale Wandel die (volle) Aufmerksamkeit in einem Unternehmen verlangt. Es bringt nichts, wenn man sich auf alten Erfolgen ausruht, leichte Umsatzrückgänge in Kauf nimmt und die Veränderungen nicht richtig annimmt. Viel schlimmer ist eine fehlerhafte Einschätzung und Vision für die Zukunft. Und hier scheitert es bei vielen KMUs. Erst letztens habe ich mich mit einem mittelständischen Unternehmer getroffen. Das Unternehmen ist komplett „analog“ aufgestellt. Kein CRM, keine digitalen Prozesse, lediglich ein ERP-System. Aber nicht nur der Vertrieb, auch das Marketing ist klassisch fokussiert. Neue Kommunikaitons- und Vertriebswege sind bisher kein Thema.
„Für uns ist da Internet nicht so relevant, wir arbeiten ja mit einem Händlernetz und die sind ja Offline“
So oder so ähnlich heisst es dann meist, wenn man mit vielen KMUs über den digitalen Wandel und dessen neue Herausforderungen spricht.
Unternehmen müssen sich einem ständigen Wandel hingeben
Dabei ist es so wichtig, dass sich Unternehmen einem regelmäßigen Wandel unterziehen müssen. Mit der Digitalisierung geschieht alles noch viel schneller und dynamischer. Blicken wir auf die Dinge, an denen ihr arbeiten solltet – egal, wie groß das eigene Unternehmen ist:
Attraktivität / Markenaufbau
Zunächst einmal darf man nie den Fokus verlieren und sich zu sehr mit dem Unternehmen als solches beschäftigen. Vergesst nie, für wen ihr eure Produkte und Dienstleistungen anbietet. Beschäftigt euch regelmäßig mit euren Produkten, hinterfragt sie, fragt eure Zielgruppe, beispielsweise eure wertvollsten Kunden. Diese haben sehr häufig tolle Ideen. Wir machen das bei PageRangers auch. Wenn beispielsweise ein Feature von einem unserer Top-Kunden erwünscht ist, beschäftigen wir uns intensiv damit. Wir prüfen die Machbarkeit, sprechen mit anderen Kunden, ob letztlich ein Mehrwert oder eine Effizienzsteigerung begründet ist. Hört auf die Stimme eurer Kunden.
Wettbewerber
Ebenfalls ist es wichtig, sich mit seinem Wettbewerber intensiv auseinanderzusetzen. Nicht umsonst heisst es. Wettbewerb belebt das Geschäft. Dieser Herausforderung muss man sich ebenfalls stellen und regelmäßig beobachten, wie sich der Wettbewerber weiterentwickelt hat. Lasst euch inspirieren, projiziert Dinge auf euer Business und handelt entsprechend.
Online-Handel
Ich denke, ich muss euch nicht noch sagen, dass der Online-Handel sich von Jahr zu Jahr weiterentwickelt und an Volumen zulegt. Nicht umsonst führen wir die Diskussion über verwaiste oder zumindest immer leerere Innenstädte. Viele stationäre Händler resignieren häufig und überlassen Amazon & Co. den Weg.
Dabei gibt es positive Beispiele, wie es stationären Händlern gelungen ist, den Spagat zwischen Online- und Offline-Handel zu bewältigen. Zugegeben, es gibt nicht so viele Beispiele, aber an denen, die es erfolgreich geschafft haben, muss man sich orientieren und entsprechende Learnings aufnehmen. Ihr solltet euch daher unbedingt unseren Podcast mit schuhe24-Gründer Domminik Benner anhören. Er hat eine spezielle Meinung, wie der Switch in die digitale Welt funktionieren kann. Hört rein.
Je größer jedenfalls der Wettbewerb und der ist in unserem Beispiel von Gerry Weber zwar vorhanden, aber mit der Marktposition und den finanziellen Möglichkeiten, hätte man vor Jahren den Fokus anders auslegen müssen. Man hat es schlichtweg versäumt, sich auch im Ecommerce als Marke zu positionieren. Zalando und andere haben hier einen massiven Vorsprung und wer sich als Konzern entsprechend weiterentwickeln möchte, muss dies mit der notwendigen Intensität und Fokus machen.
Das gilt übrigens nicht nur für große Unternehmen. Wenn ihr euch entscheidet, ins Online-Business einzusteigen, dann macht es mit der notwendigen Konsequenz. Und denkt dran, Veränderungen brauchen Zeit. Neben dem tollen Produkt muss insbesondere auch das Team dahinterstehen und erst einmal auf Spur gebracht werden. Das ist häufig schon eine besondere Herausforderung.
Ganz wichtig zu verstehen ist zudem, der Einstieg in den Ecommerce muss nicht immer direkt mit einem eigenen Online Shop geschehen. Im Gegenteil. Es gibt einige andere Möglichkeiten, wie man im Ecommerce einsteigen und Erfahrungen und zusätzliche Umsätze generieren kann. So beispielsweise mithilfe von Marktplätzen wie Amazon, eBay, Zalando oder Otto.de.
Hohe initiale Investitionskosten für eine eigenen Shop- oder gar eine eigene Logistikinfrastruktur sind also nicht notwendig. Egal wie ihr vorgeht, schaut euch die verschiedenen Online-Geschäftsmodelle auf jeden Fall an. Auf Grundlage dieses Wissens und der Möglichkeit, die verschiedenen Geschäftsmodell auch geschickt kombinieren und weiterentwickeln zu können, kann so sukzessive Erfahrung im Online-Business gesammelt werden.
Bei Gerry Weber hat man aus meiner subjektiven Sicht viel zu wenig den Fokus auf das Online-Business gelegt. Je größer ein Unternehmen, desto schwieriger ist es, ein Schnellboot zu entwickeln. Vom Schiffstyp, um bei dem Bild zu bleiben, ist Gerry Weber eben eher ein ältere, zu restaurierender Dampfer.
Innovation und Wandlungsfähigkeit
Es fehlte beim Modekonzern an Innovationen und Veränderungen. Zudem hat es das Unternehmen nicht geschafft, die Anziehungskraft der Marke, die sie vor Jahren hatte, weiterzuentwickeln und diese Anziehungskraft für neue Wege zu nutzen.
Anders als in den Ausbau und die Infrastruktur neuer Vertriebs- und Marketingkanäle zu investieren, hat man immer mehr in stationäre Ladenlokale investiert. Auch bei uns im kleinen beschaulichem Siegburg (Podcast über die Probleme einer Kleinstadt). Wenn ich mich richtig erinnere, wurden langfristige Mietverträge vereinbart. In einer Zeit, wo längst das Internet auf dem Vormarsch war und klar sein sollte, wohin die Reise mittelfristig gehen wird. Der sukzessive Ausbau in stationäre Ladenlokale war hier eher nicht der richtige strategische Schritt – zumindest nicht auch mit dem Fokus in neue Kanäle zu blicken.
Wer Wandlungsfähig bleiben möchte, muss in moderne Infrastruktur investieren und sich den Veränderungen auch in der Arbeitswelt stellen. Auch hierfür muss Geld investiert werden und alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, damit der Dampfer den richtigen Kurs halten kann. Ob das in der Notwendigkeit bei Gerry Weber passiert ist, kann ich nicht beurteilen, wage ich aber zu bezweifeln. Darum geht es auch im Grunde nicht. Viel wichtiger ist, dass ihr mitnehmt, wie wichtig der digitale Wandel ist und das man sich diesem frühzeitig hingeben muss und die neuen Herausforderungen annehmen sollte. Zwar hat Gerry Weber über eine Mehrmarkenstrategie (z.B. Hallhuber) versucht, andere Zielgruppen anzusprechen, aber scheinbar nicht konsequent genug.
Management
Entscheidenden Einfluss und somit auch Anteil an der Schieflage hat sicherlich auch das Management des Unternehmens. Aus meiner Sicht gab es strategische Fehler. Auf immer mehr stationäre Geschäfte zu setzen, war sicherlich einer dieser Fehler. Der Sohn des Firmengründers hat sich im letzten Jahr meine ich aus dem Management verabschiedet, dann kam ein Manager, der bei Ernsting’s Family zuvor war. Personalabbau und die Schließung von Filialen kam wohl zu spät und so blieb nur der Weg der Insolvenz. Über 200 Mio. Verbindlichkeiten sprechen für sich und die Finanzbranche wollte diese Unterdeckung nicht mehr mitfinanzieren.
Was nun Gerry Weber?
Ich bin nicht in der Position hier kluge Ratschläge zu geben. Viel zu individuell ist es und ohne genaue Hintergründe zu kennen, sollte man den Ball flach halten. Wenn der Weg aber aus der geführten Insolvenz gelingen soll, dann muss ein massiver Umstrukturierungsprozess umgesetzt werden. Man muss das Produktportfolio verändern und den Fokus mehr und mehr auf den Online-Handel richten. Modernisierung, Innovationen und Mut sind jetzt also gefragt.
Unrentable Filialen müssen radikal eingespart und geschlossen werden. Davon wird es sicherlich einige geben. Auch die Mitarbeiterzahl wird sicherlich sehr stark reduziert werden. Von bis zu 1.000 ist hier und da die Rede. Insgesamt abreiten 6500 Angestellte für den Konzern.
Die einstige Kultmarke hat zunächst einmal Schiffbruch erlitten. Die Frage bleibt, wird aus der Marke Gerry Weber eine stark verjüngte und moderne Marke, die den klaren Fokus auch im Online-Geschäft hat?
Fazit
Was lernen KMUs aus dieser Sache. Der digitale Wandel kommt, manchmal schneller als einem lieb ist. Veränderungen brauchen Raum und Zeit. Diese Zeit muss man sich geben. Insbesondere dann, wenn man den digitalen Wandel sukzessive und nicht vielleicht mit voller Energie im Unternehmen umsetzen möchte. Lernt von den Besten, lernst von den Unternehmen, die es falsch gemacht haben und holt euch frühzeitig auch Unterstützung, wenn notwendig. Gerry Weber ist ein Beispiel, es gibt einige andere. Was wurde beispielsweise aus Neckermann oder Schlecker?
Habt ihr weitere Fragen?
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