Immer wieder schaue ich mir Branchen an, von denen ich der Meinung bin, dass sie die Digitalisierung völlig verschlafen haben. Diesmal geht es um die stationären Apotheken. Die Versandapotheken machen es seit Jahren vor, wie das Online-Business läuft. Seit Jahren scheint es die meisten stationären Apotheker:innen nicht zu kümmern, was online abläuft. Spätestens mit Beginn der Corona-Pandemie sieht das anders aus, wie mein Podcast-Gast Viktoria Hausegger uns im Podcast berichtet. Die Digitalisierung bietet so viel Potenzial, was es auch in der Apotheker-Branche zu erschließen gilt, damit die Zukunft der stationären eigenen Apotheke gesichert werden kann. Naiv, wie beispielsweise der Einzelhandel sich Amazon & Co. ergibt. Das darf es bei den stationären Apotheken nicht geben, wenngleich ich fürchte, sie sind auf dem besten Weg dorthin.
Stationären Apotheken fehlt es an Digitalisierungsstrategie und Mut
Eigentlich sagt es die Headline. Die Analogie zum Einzelhandel („Einzelhändler aufgepasst„) oder zu Autohäusern („Schaffen sich Autohäuser selbst ab?„) ist unverkennbar. Die Notwendigkeit für stationäre Apotheken ist jedenfalls vorhanden und Sinnbild einer Branche, die sich sukzessive von Versandapotheken den Schneid abkaufen lässt. Dabei haben die stationären Apotheken einen absoluten Vorteil. Die direkte Kundennähe. Ich kenne es selbst noch als mein Vater regelmäßig auf eine Vielzahl von Medikamenten abhängig war. Zunächst musste ich immer persönlich zur Apotheke und das Rezept abgeben. Einige der Medikamente waren nicht vorrätig und ich musste weniger Stunden oder Tage später erneut hin. Immer wieder ein Krampf. Einige Zeit später nutzte die Apotheke wenigstens einen externen Anbieter, über den ich das Rezept einscannen und an die Apotheke senden konnte. Das ging meist sehr gut, wenngleich es immer wieder zu technischen Problemen kam. Was ich damit sagen möchte, wenn die stationäre Apotheke einmal Kunden gewonnen hat, ist der Loyalitätsfaktor recht groß. Man stelle sich nun vor, dass mit wenigen digitalisierten Services der Kunde unterstützt wird, beispielsweise:
- App zum Einscannen der Rezepte
- Bring-Service
- Bestellung von Medikamenten über weitere, alternative Wege, z.B. über Messenger
- Automatisierte Services, für Kunden, die wiederholt Medikamente benötigen
- Mailing-Aktionen für bestimmte Kundensegmente
- CRM-System
- Ratgeber, die nicht nur online zur Verfügung gestellt werden können, sondern deren Inhalte aktiv auch an relevante Kundengruppen gesendet werden können.
Digitalisierung der stationären Apotheke auch mit wenig Budget möglich
Die Liste könnte man fortführen. Was aber denke, ich klar werden sollte, Digitalisierung kostet Geld, ist aber auch mit kleinem Budget realisierbar. Es gibt viele kreative Ideen, die mir alleine im Podcast eingefallen sind und von denen ich sicher bin, dass die Umsetzung nicht viel Geld kostet und diese den Kunden zufriedener machen. Die Digitalisierung könnte man auch mit einem Puzzle vergleichen. Passt ein Stück, geht man das nächste Puzzle-Stück an. Manchmal kann es sein, dass ein Puzzle-Stück nicht direkt passt, auch wenn es augenscheinlich so aussieht. Dann muss einfach das passende Puzzle-Stück gesucht werden.
Low-Hanging-Fruits nutzen
Viele Daten oder Informationen liegen der Apotheke vor. Es gilt im ersten Schritt die Low-hanging-Fruits zu identifizieren und diese dann zu nutzen. Darauf aufbauend können dann die weiteren Puzzle-Stücke geplant und umgesetzt werden. Im Podcast habe ich verstanden, dass es nicht den universellen Plan gibt, da jede stationäre Apotheke anders aufgestellt ist. Dennoch bin ich der Auffassung, dass jede Apotheke mit kleinen digitalen Serviceleistungen den Kunden ein stückweit zufriedener machen und an sich binden kann.
Mut, Vision und Mindset fehlen oftmals
Bei vielen Einzelhändler oder Branchen kann ich die Zurückhaltung verstehen, da sie häufig am Existenzminimum agieren. Apotheker, so zumindest mein Empfinden, sollten in den meisten Fällen ein wenig mehr finanziellen Spielraum haben und somit zumindest sukzessive auch in die Digitalisierung investieren können. Es muss nicht gleich das voll automatisch-laufende System sein, wo die Medikamente gepickt und dem Verkäufer direkt übermittelt werden. Es geht auch anders. Der Grund für die Zurückhaltung im stationären Apothekenmarkt liegt nicht nur an der fehlenden Expertise. Insbesondere das Mind-Set und die fehlende Vision der Inhaber-geführten Apotheken ist häufig nicht ausreichend vorhanden. Anders kann ich mir die Zurückhaltung und „Wartestellung“ nicht erklären. In meinem Apothekenumkreis jedenfalls ist nicht, aber wirklich nichts von digitalen Prozessen oder Services zu sehen. Die eine Apotheke nutzt eine externe App, die aber häufig mit Ausfällen zu kämpfen hat.
Mehr zum Thema im Podcast
Mehr zu diesem Thema erfahrt ihr im Podcast mit Viktoria. Spannend ist zu erfahren, woran es aus ihrer Sicht und Erfahrung bei den Apothekern scheitert. Gerade das Thema Kundenzentrierung wäre mithilfe verschiedener digitaler Services sehr leicht umsetzbar. Ein Kunde, der stationär in der Apotheke einkauft, ist in der Regel ein loyaler Kunde. Und es gibt die Leuchttürme in der Branche. Die machen es vor. Was diese insbesondere auszeichnet? Mut, testen, scheitern, optimieren und nach vorne blicken. Der Weg der kleinen Schritte. Es geht, ganz bestimmt.
Fragen / Themen aus dem Podcast
- Intro ins Thema
- Vorstellung Viktoria Hausegger
- Wo steht die stationäre Apotheke in Sachen Digitalisierung heute?
- Aus meiner Sicht fehlt das Thema Kundenzentrierung im Bereich „Digitale Services“ komplett bei stationären Apotheken. Siehst du das auch so?
- Was sind denn konkrete Digitalisierungsthemen, die sich seit Corona gewandelt haben und in die richtige Richtung gehen?
- Wie viel Umsatzrückgang hat ein stationärer Apotheker:in durch Corona im Schnitt gehabt?
- Was ist mit den Löw-hängig-Fruits – und wieso schaffen die regionalen Apotheker es nicht in den relevanten Kanälen sichtbar zu sein?
- Fehlt es am Wissen oder ist es das fehlende Mindset? Wie sieht es mit dem Personal insgesamt aus?
- Was sind aus deiner Sicht Erfolgsfaktoren / Digitalisierungsthemen, damit die stationäre Apotheke sich für die Zukunft fit machen kann?
- Wenn wir den Vergleich zum E-Commerce ziehen – wieso nutzt ein Apotheker:in kein CRM-System oder andere Werkzeuge, die im E-Commerce längst Standard sind?
- Wie muss sich das Geschäftsmodell einer Apotheke verändern?
- Mir fehlt das „Doing“ und auch mal das Testen, welche neuen Wege denn funktionieren und welche vielleicht nicht? Denn das ist nicht immer eine Frage des Budgets …!
- Was machen die „Leuchttürme“ in der Branche denn besser und anders?
- Wo stehen die stationären Apotheken in 2-3 Jahren und wie müssen diese sich verändern?
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