Es wird mal wieder Zeit für ein Update. Ein Update, was die Digitalisierung des stationären Handels angeht. Zuletzt vor gut einem Jahr habe ich einen Podcast aufgenommen, der auf die Missstände einging.
Viele Einzelhändler sahen bis vor der Corona-Krise immer noch nicht die Notwendigkeit, neben dem „Brot und Butter“ Geschäft, neue und alternative Marketing- und Vertriebskanäle zu erschließen. Im Jahr 2017 habe ich auf Missstände in den Städten bereits hingewiesen, die letztlich das Versagen mehrerer Beteiligten darlegte. Insbesondere die Städte, mit ihren Stadtentwicklern, Verkehrsvereinen und Werbegemeinschaften haben aus meiner Sicht versagt. Hinzu kommt natürlich der Einzelhändler selbst, dem einfach die Perspektive, Mut und die Vision fehlt.
Jetzt ist Corona da und es wird die totale Veränderung geben!
Mittlerweile sollte uns allen klar sein. Die Welt hat sich mit Corona stark verändert und wird sich auch künftig stark verändern. Nicht nur, weil fast eine Millionen Unternehmen bis heute Kurzarbeit angemeldet haben. Es werden viele Insolvenzen hinzukommen, die Arbeitslosenzahlen werden signifikant steigen und die Frequentierung in den stationären Ladenlokalen wird weiter abnehmen. Die Menschen werden in den kommenden Monaten, vielleicht sogar Jahren, ihre Einkaufsgewohnheiten verändern und sich einschränken müssen. Cafes und Restaurants werden in den kommenden Monaten mit rückläufigen Umsätzen kämpfen müssen. Der Deutschland Chef von Mc Donalds stellte vor kurzem die These auf, dass es zwei Jahre andauern wird, bis man das Niveau vor Corona wieder erreichen würde.
Die ersten Lockerungen haben bereits gezeigt, der Einzelhandel wird nicht mit der Power zurückkommen können, wie vor der Krise. Menschen sind zurückhaltend, was Investitionen angeht. Mit Maske shoppen ist kein Spaß und im Hinterkopf ist bei vielen Menschen, dass die Corona-Krise finanzielle Einbußen und – Probleme mitbringen könnte. Die Zukunft ist ungewiß. Restaurants und Cafés haben noch nicht mal geöffnet.
Aber es gibt auch Positives zu berichten. Einige Restaurants und Händler haben aus der Not eine Tugend gemacht. Restaurants haben kurzerhand auf Lieferservice umgestellt und binnen kürzester Zeit Dinge geschaffen, die so vor der Krise nie denkbar gewesen wären. Restaurants oder Cafés erfahren eine Solidarität der Stammgäste und Freunde. Mit der Hamburger initiative „Support your local Business“ werden virtuelle Treffen in den sozialen Netzwerken organisiert, um Spenden oder Gutscheine für betroffene Geschäfte zu generieren.
Ganze Branchen drohen zu zerbrechen
Aktuell kämpfen viele Branchen um’s überleben. Ohne Frequentierung in den Städten, keine Umsätze. Auch wenn dieser Tage die ersten Lockerungen stattgefunden haben, betriebswirtschaftlich ist das für die meisten Unternehmer ein Tropfen auf den heißen Stein.
Lokale Blumenhändler bieten Lieferservice an und eine Idee, die ich besonders gut finde. Hotelbesitzer haben aus der Not eine Tugend gemacht und ihre Zimmer als Co-Working Space angeboten. Für jene Menschen, die entweder zu wenig Platz haben oder einfach mal konzentriert arbeiten wollen oder einfach einen Tapetenwechsel benötigen. Eine echte Win-Win-Situation. Hotels haben zumindest ein paar Einnahmen, wenngleich die Preise im Verglich zur Übernachtung wesentlich geringer ausfallen.
Ein anderes Beispiel. About You, eine Tochtergesellschaft von Otto, hat das Sortiment neu ausgerichtet und bietet nun auch Schutzmasken zum Kauf. Kennt ihr Fashion-Händler aus der Offline-Welt, die Stoffmasken beispielsweise verkaufen? Oder andere Einzelhändler, die kurzehand ihr Kerngeschäft verlagern?
Solltet Ihr Unternehmer kennen, die ihr Geschäftsmodell umgekrempelt haben und neue Wege eingeschlagen haben, bitte sendet mir kreative Beispiele an podcast@digitales-unternehmertum.de.
Der Ecommerce profitiert, aber auch hier gibt es „Schrammen“ an Unternehmen
Corona sorgt gerade dafür, dass wir in die wohl schwerste Rezensionen seit dem letzten Weltkrieg rutschen. Es gibt aber auch Gewinner. Der Online-Händler Amazon beispielsweise ist der größte Gewinner. Jeff Bezos hat sein Unternehmen meist so geführt, dass nur wenig Gewinn (im Vergleich zum Umsatz) am Ende des Jahres übrig blieb. Es wurde viel reinvestiert, viel in die Zukunft investiert. Jeff wird mit Amazon in diesen Zeiten soviel Geld verdienen, dass er sich wohl nicht wehren kann und sicherlich Steuern zahlen muss.
Auf der anderen Seite gibt es sicherlich auch im Online-Handel Unternehmen, die signifikante Umsatzeinbußen zu verzeichnen haben. Beispielsweise die Reisebranche. Tripadisor, Trivago, Expedia, um mal drei Unternehmen exemplarisch zu nennen, haben Umsatzrückgänge von 80 Prozent und mehr zu verzeichnen. Mitarbeiter werden entlassen, Kurzarbeit umgesetzt. Auch hier wird man Jahre brauchen, um auf Niveau vor der Corona-Krise zu kommen.
Online einkaufen wird zur Gewohnheit – ebenfalls eine Gefahr für den Handel
Viele Menschen, die bisher online nicht eingekauft haben und vorzugsweise im stationären Handel ihre Waren bisher gekauft haben, werden vielleicht dem Online-Handel treu bleiben oder zumindest häufiger online einkaufen. Denn sie wurden in den letzten Wochen gezwungen online zu konsumieren, da die bevorzugten Ladenlokale geschlossen waren. Sie haben das bequeme Einkaufen von der Couch kennen und vielleicht auch lieben gelernt. Auch das kann eine zusätzliche Gefahr für den stationären Handel bedeuten. Menschen werden längere Zeit nicht mehr so eng in einem Ladenlokal einkaufen, wie vor der Krise. Veränderungen werden definitiv kommen – die genaue Dimension ist noch nicht vorhersehbar.
Corona katalysatorische Wirkung für Digitalisierung
Corona wird die Digitalisierung extrem beschleunigen. Wir haben es bereits thematisiert und in den letzten Podcast Episoden thematisiert. Der Veränderungsprozess trifft die gesamte Wirtschaft, also auch den Einzelhandel. Wer jetzt nicht wach wird, der wird sein Unternehmen schon bald schließen können. Dabei reicht es längst nicht, Prozesse zu digitalisieren oder einen eigenen Online-Shop aufzubauen. Es geht um mehr, es geht um einen Paradigmenwechsel, eine völlig andere Haltung und Umsetzung des eigenen Geschäfts. Der Online Handel macht nicht alles besser, aber man kann viel lernen und sollte die sinnvollen Dinge offline projizieren. Nicht umsonst gibt es Prognosen, dass Online-Händler die besseren Offline Händler wären. Einige Pure Player, die den Weg in den Offline-Handel vollzogen haben, stärken die These durchaus. Über Jahre hat sich die Online-Branche entwickelt. Man hat verstanden, dass Entscheidungen fundiert auf Fakten und Daten getroffen werden müssen – und nicht aus dem Bauch heraus. Daten werden nicht umsonst als das neue Gold in der Wirtschaft bezeichnet. Was muss sich also konkret verändern?
Mehr Individualität und Personalisierung
Die Frequentierung in den Innenstädten ist seit Jahren rückläufig und es ist anzunehmen, dass die Entwicklung sich weiter vollzieht. Jetzt schneller als vorher absehbar war. Als stationärer Händler muss man besser denn je verstehen, was Kunden wünschen, wie man sie besser beraten und ans Unternehmen binden kann. Es geht um Personalisierung, also um Individualität und auch nicht zuletzt um Conversionoptimierung und Fragestellungen, wie man den Warenkorb pro Kauf erhöhen kann.
Ich möchte und kann nicht das eine Patentrezept hier an dieser Stelle aufzeigen. Das wird es nicht geben und ganz so einfach ist es auch nicht. Aber, es fehlt mir an Agilität, an Umsetzungswille und den Mut und die Vision, Veränderung herbeiführen zu wollen. Auf allen Ebenen. Bei den Städten, Werbegemeinschaften und eben beim stationären Händler selbst.
Der Einzelhandel muss lernen, noch individueller auf seine Kunden einzugehen. Neue Konzepte und Angebote müssen her, die weit mehr als nur den reinen Verkauf von Produkten und Waren beinhalten.
Ich sprach von Daten. Aus meiner Sicht muss ein Einzelhändler wesentlich individueller seine Kunden bedienen und deren Vorlieben erfassen. Ein CRM oder auch Marketingautomation sind hier Stichworte, die es als Einzelhändler zu durchleuchten gilt.
Um neue Wege im Einzelhandel zu gehen, muss auch nicht immer zwingend ein eigener Online-Shop vorhanden sein. Im Gegenteil. Kleine Shops, die keiner kennt und immer gepflegt werden müssen, sind häufig nicht die erste Lösung. Es gibt außerhalb des eigenen Shop-Universums Plattformen wie Amazon, eBay oder im Fashion- oder Schuhsegment, Zalando, About You oder ein Schuhe24.
Ein Schuhändler beispielsweise kann seine Produkte bei schuhe24 listen. Den Gründer und Macher hatten wir im Podcast. Im Schnitt machen Händler 60.000 – 80.000 EUR zusätzlichen Umsatz im Jahr. Immerhin und eben ein Weg, mehr zu diversifizieren und der Entwicklung zu trotzen. Plattformen ermöglichen nicht nur den einfachen Einsteig ins Online Business. Häufig gibt es sogar sehr simple Möglichkeiten, auch international das Geschäft auszubauen – auch für die kleinen Einzelhändler.
Kundenbindung und Wiederverkaufsraten müssen erhöht werden
Auch Kundenbindung spielt im Online-Handel eine wichtige Rolle. Wie sieht es hier im Einzelhandel aus? Was macht ein Händler, um seine Kunden zu binden? Außer eine gute Beratung und einen marktgerechten Preis zu bieten, häufig wenig darüber hinaus, oder?
Beispielsweise kann man auch eine Conversion-Optimierung im Offline-Handel umsetzen und seine Prozesse oder Beratung dahingehend optimieren. Das wird auch im Online Handel permanent gemacht, wieso also nicht auch die Prozesse auch offline optimieren. Ich könnte viele weitere Ideen und Ansätze aufzeigen, das würde allerdings den Rahmen hier sprengen. Wenn weniger neue Kunden den Weg ins Ladenlokal finden, muss eben versucht werden, die Warenkörbe und Wiederverkaufsraten mit Stammkunden zu erhöhen. Auch daran arbeitet man aktiv im Online-Handel – im stationären Handel auch?
Lokale Suche wird immer relevanter
Die lokale Suche wird immer wichtiger. Aktuell in der Corona Zeit vielleicht nicht, da in dieser Zeit ein kurzfristiger Switch zu beobachten ist und erklärbar das Internet häufiger in den eigenen vier Wänden genutzt wird. Das ist aber nur temporär der Fall und man sollte sich auf die Zeit nach Corona fokussieren und dafür sorgen, das der eigene lokale Eintrag bei Google optimal aufbereitet und optimiert ist. Local SEO, also die lokale Suchmaschinenoptimierung, ist hier das Thema. Zum Thema Local SEO habe ich auch schon einen ausführlichen Podcast gemacht. Hört rein.
Marketing muss sich anpassen
Lokale Anzeigen ja, aber vielleicht dosierter und dafür auch übrige Marketingdisziplinen breiter aufgestellt und auch die Kanäle aktiviert, die relevant sind und wo sich die Zielgruppe letztlich aufhält. Marketingautomation kann auch in der Offline-Welt zum Einsatz kommen und hier und da Sinn machen. Das Mobile Internet wird immer wichtiger.
Auch Content wird immer relevanter – insbesondere wenn es um den Sichtbarkeitsaufbau in den Online Kanälen geht. Google wird immer mehr zur Antwortmaschine, kann Inhalte besser deuten und somit auch wesentlich besser die Suchergebnisse auf die Suchanfrage abstimmen. Auch zu dieser Entwicklung habe ich einen Podcast aufgenommen. Auch damit sollte man sich beschäftigen. Zum Thema Content und Content-Strategien gibt es zahlreiche Podcasts, die ich an dieser Stelle gerne noch einmal aufliste:
- Schritt für Schritt zum perfekten Content und mehr Sichtbarkeit bei Google (Link)
- Mit der “Thin Content Methode” die Content-Produktion effizienter gestalten (Link)
- Mit dem richtigen Content Top-Rankings bei Google erzielen – jetzt anschauen! (Link)
- Das solltet ihr über Content und Sichtbarkeit bei Google unbedingt wissen! (Link)
- 6 Tipps, damit dein Content auch bei Google ranked (Link)
Der Online Handel ist über den Performancegedanken groß geworden. Performance muss einen wesentlich höheren Stellenwert im Offline Handel bekommen und nicht einfach aus dem Bauch heraus Marketingmaßnahmen oder Aktionen geplant werden. Es muss fast alles hinterfragt, optimiert und gemessen werden. Omnichannel-Angebote überdacht und neue Wege beschritten werden. Das muss nicht immer nur alleine geschehen, sondern kann auch im Verbund passieren.
Fazit
Es muss etwas passieren. Vielen Händlern steht das Wasser bis zum Hals und es reichen kleine Veränderungen nicht aus. Der große Umbruch muss kommen. Das passiert beispielsweise im Fußball, wenn eine Mannschaft in die Jahre gekommen ist. Frischer Wind muss her, mehr Kreativität, mehr Mut und Veränderung. Die Menschen werden die Veränderung annehmen, sie werden davon profitieren. Und wenn der stationäre Händler auch davon profitieren möchte, muss er sich auch verändern. Alternativen gibt es wohl nicht.
Habt ihr Fragen oder Anregungen?
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